Ein Tag als Pilzkontrolleurin
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Herbstzeit ist Pilzzeit! Doch welche sind essbar und was sollte man beachten, wenn man selbst im Wald unterwegs ist. Ruth Reimann erzählt von Ihrer Leidenschaft und Ihrem Alltag als Pilzkontrolleurin von Rheinfelden.
Es ist früh am Morgen – ich packe Stiefel, Wanderschuhe, Korb und Messer, die passende Jacke und fahre los Richtung Wald, wo ich mich von den Gaben der Natur überraschen lassen möchte. Manchmal gehe ich diesseits, manchmal jenseits des Rheins, da sich Bodenbeschaffenheit und Flora sehr voneinander unterscheiden und daher verschiedene Pilze ihre begehrten Fruchtkörper zum Vorschein bringen.
Als ich vor etwas mehr als fünfzehn Jahren begann in die grosse Welt der Pilze einzutauchen, da waren es erst einmal die gelb leuchtenden «Eierschwümmli», die ich sah, hatte ich doch noch nicht gross Augen für andere Sorten. Doch mehr und mehr öffnete sich mein Horizont und nachdem ich einem Pilzverein beigetreten war, lernte ich schnell, dass es ja viel mehr gibt, als ich mir je hätte vorstellen können. Die vielen Gattungen, Varietäten, Formen und Farben sind faszinierend und das geht längst weit über den Speisewert hinaus.
Was Pilze alles können wird immer mehr erforscht und man hört oft Sätze wie “Pilze werden mal die Welt retten“ und ähnliches.
Ja, es liegt immens viel in der Natur, dass wir noch nicht, oder nicht mehr kennen.
So tauche ich ein in die würzige Waldluft, nehme die Farben und Formen der Bäume, der Moose und vielem mehr auf, lasse meine Augen über den Boden schweifen und schon merke ich, wie ich entspanne, die Alltagssorgen hinter mir lasse und auftanke. Seit ich denken kann, liebe ich die Natur und bereits als Kind war ich viel alleine draussen unterwegs, lernte früh Bärlauch und andere Kräuter kennen und sammeln, die meine Grossmutter zuhause verarbeitete. Oh hoppla, da entdecke ich eine Gruppe wunderschöner rosa Pilzchen, was für eine Farbe, ein richtiges Pink. Ich erkenne ihn als rosa Rettichhelmling, einer, der eine Muscarinvergiftung auslösen kann, wunderschön jedoch giftig. Muss man wissen!
Vor Jahren hatte ich keinen blassen Schimmer von Pilzen und heute darf ich mich Pilzkontrolleurin nennen. Ja das war ein langer Weg und es geht immer weiter.
Denn die Pilzwelt ist riesig, da hat man nie ausgelernt.
Vor fünf Jahren reifte in mir der Wunsch, noch tiefer in dieses Mysterium einzutauchen und meine Hirnkapazität zu testen. Hörte ich doch, wie taff die Ausbildungswoche in Landquart sei. Dort werden im Plantahof, der landwirtschaftlichen Schule, jährlich Aus- und Weiterbildungen durch die VAPKO (Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane der Schweiz) angeboten. In der letzten Septemberwoche treffen sich über hundert lernwillige Pilzlerinnen und Pilzler sowie Mykologinnen und Mykologen aus der Deutschschweiz, um entweder einen Vorkurs zur Prüfung, den Prüfungskurs, Wiederholungskurse, Mikroskopierkurse und vieles mehr zu belegen. Sie verbringen eine intensive Woche mit sammeln und bestimmen von Pilzen bei Vorträgen und dem kollegialen Austausch über die Pilzwelten. Da trifft man alte und neue Bekannte, hört das Neueste von der Verbandstoxikologin und welche Pilze beispielsweise mit der Klimaerwärmung aus dem Süden aufgetaucht sind. Ich weiss noch, wie ich im Prüfungskurs nur noch Pilze im Kopf hatte, den ganzen Tag lang und abends noch im 'Pilzkeller' die bestimmten und angeschriebenen Pilze studierte, davon träumte. Ende Woche fielen mir tonnenweise Steine vom Herzen, als ich endlich die Urkunde in Händen hielt. Das war 2019. Drei Jahre später, ab diesem Januar durfte ich von Erich Meier die hiesige Kontrollstelle übernehmen.
Es ist eine grosse Verantwortung, die ich nun bei den Pilzkontrollen in Rheinfelden trage, denn unser Service trägt dazu bei, Vergiftungen zu vermeiden.
Da ist es eine gute Hilfe, sich wöchentlich mit Gleichgesinnten des Vereins zum Bestimmungsabend zu treffen und die jeweils aktuell wachsenden Pilze zu sehen und zu repetieren. Da begegnet man sich der Leidenschaft wegen und Berufliches oder Privates spielen da eine kleine Rolle.
Die Leidenschaft für die Pilzwelt verbindet über alle Grenzen hinweg.
Mit dem Verein organisierten wir im Oktober gleich zweimal einen Pilzerlebnistag. Wir hatten viele Anmeldungen und riesiges Wetterglück! Solche Anlässe liebe ich und möchte viel mehr davon erleben, auch um mein Wissen um die Naturschätze zu teilen und weiterzugeben. Nicht zuletzt deshalb bilde ich mich auch ständig weiter. Das ganze Jahr birgt so vieles für all unsere Sinne, dass wir jederzeit draussen auftanken und zugleich mit dem nötigen Wissen noch einen Teil zur Selbstversorgung beitragen können.
So kann zum Beispiel ein Spaziergang mit dem Hund dazu führen, dass ein Teil des Mittagsmenus gleich mit aus dem Wald kommt zum Beispiel knackige Judasohren, die man oft in asiatischen Gerichten findet. Sie wachsen meist an alten Holundersträuchern, an feuchten Wegrändern (so auch am Rhein) und können sogar im Winter geerntet werden. Sie enthalten ein Frostschutzmittel, das die Zellen befähigt, bei Minustemperaturen das Wachstum einzustellen und wenn es dann wieder über Null Grad ist, einfach weiterzuwachsen, sofern die Luftfeuchtigkeit stimmt. So fangen auch Austernseitlinge und Samtfussrüblinge an zu fruktifizieren.
Es heisst also ganz einfach: Augen auf und neugierig sein, was einem begegnet - oft in nächster Nähe.
Es ist eine Leidenschaft, die sich entwickelt – aber nicht zu unterschätzen - sehr zeitintensiv ist. Unzählige Stunden in der Natur, Studium und praktische Erfahrung - für mich total erfüllend.
Zurück in der Kontrollstelle beim Forstwerkhof, wo ich eine schöne geschützte Ecke nutzen darf.
„Guten Abend, wir haben hier Pilze, kann man die essen?“. Haben Sie eine Ahnung, was das für welche sind? - „Nein, aber sie haben so schön ausgesehen, drum habe ich sie abgeschnitten.“
Gute Gelegenheit, zu erklären, dass man unbekannte Pilze immer ganz, samt Stiel und Basis aus der Erde nehmen soll.
Um einen Pilz genau bestimmen zu können sind alle Details wichtig, oft entscheidet eben auch der „Fuss“ also die Stielbasis, welche Art es sein kann.
Es braucht alle Sinne, denn oft ist es ein ganz bestimmter Geruch, ein sich Verfärben beim Berühren, was Auskunft gibt. Übrigens waren es bei dieser Kontrolle Hainbuchenraufüsse, ein essbarer Röhrling, dessen Vorkommen wie der Name sagt, an Hainbuchen gebunden ist.
Es gäbe noch so vieles zu erzählen... wer weiss, vielleicht einmal persönlich bei einer Pilzkontrolle oder bei einer Pilz- und Kräuterexkursion? Ich freue mich jedenfalls auf jeden Kontakt.